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redaktion / 20.12.2016

Der Zauber von Karamell

Schule des Geschmacks – Teil 17

Bräunungsreaktion bzw. Karamellisierung

Karamell
Karamell | Foto: Sievers

Im letzten Teil der Geschmackschule war von den für den Geschmack so wichtigen „Röstaromen“ die Rede (Die Macht der Röstaromen). Damit eng verbunden ist der Vorgang des Karamellisierens, bei dem – vereinfacht gesagt – durch eine chemische Reaktion der Zucker zerstört wird und dadurch bräunt.

Bei vielen gegarten Speisen, wie zum Beispiel bei Pommes frites oder bei gebratenem Fleisch, laufen die Prozesse „Karamellisieren“ und die Maillard-Reaktion parallel ab und sorgen somit für einen vollen Geschmack des Garguts. Der komplexe Prozess, der beim Braten oder Frittieren abläuft, besteht aus vielen einzelnen chemischen Faktoren, die bis heute noch nicht zur Gänze erforscht sind. 

Bräunungsreaktion bzw. Karamellisierung

Für das Kochen sind die Maillard-Reaktion und das Karamellisieren von elementarster Bedeutung. Während die Maillard-Reaktion prinzipiell auf den Proteinen basiert, erfolgt das Karamellisieren aufgrund der enthaltenen Kohlenhydrate. Bei Lebensmitteln, die aus Proteinen und Kohlenhydraten bestehen, passieren beide Reaktionen gleichzeitig – beim Fleisch beispielsweise ist dies durch die enthaltenen Proteine und durch den Milchzucker gegeben, genauso bei Pommes frites, denn sie enthalten neben Kohlenhydraten auch Proteine (wenngleich in geringerem Ausmaß).

Das Karamellisieren ist also eine Mischung aus geschmolzenem Zucker und den Produkten, die bei dieser chemischen Reaktion entstehen. Was sich chemisch genau abspielt, ist vor allem in puncto Karamellisieren auch nicht gänzlich erforscht.

Kindheitserinnerungen werden wach

Karamell schmeckt verführerisch, das wissen wir seit Kindestagen – und die Lebensmittelindustrie macht sich unsere Erinnerungen zu Nutze, man denke an die Werbung für die berühmten Sahne-Karamell-Bonbons. Gerade diese sind für uns Menschen fast wie eine Droge! Sie kombinieren gleich mehrere Faktoren, die wir unwiderstehlich finden: karamellisierter Zucker mit Fett (diese Kombination heißt im Amerikanischen auch „Comfort Food“, also Wohlfühl-Essen) und dem Protein aus der Sahne.

 

Karamell ist heute eine der wichtigsten Geschmackskomponenten überhaupt und in der Lebensmittelindustrie nicht wegzudenken. Aber auch viele traditionelle Speisen kommen ohne Karamell nicht aus, man denke an gebrannte Mandeln, geröstete Erdnüsse, Crème au caramell und Crema catalana. Auch zum Färben und Aromatisieren von Saucen, Cocktails und vielem mehr ist Karamell ein unverzichtbarer Bestandteil und verleiht vielen Genüssen erst den wahren Zauber.

 

Karamell entsteht durch das trockene Erhitzen von Zucker. Je nach Zuckerart beginnt der Karamellisiserungsprozess unterschiedlich:

  • Bei Fructose setzt er bereits bei 110 °C ein.
  • Bei Maltose beginnt der Karamellisierungsprozess erst bei 180 °C.
  • Der bei uns gängige Kristallzucker schmilzt bei 135 °C ohne zu bräunen. In der Konditorsprache ist das der sogenannte schwache Bruch, der für glasierte Früchte oder Dekorationen verwendet wird. Das eigentliche Karamellisieren tritt dann bei einer Temperatur von 143 °C ein.
  • Will man den klassischen goldbraunen Karamell, so ist eine Temperatur von 143–160 °C notwendig. 
  • Bei über 160 °C entsteht die dunkelbraune, leicht bittere Zuckercouleur, die als Farbstoff verwendet wird.
  • Ab 180 °C beginnt dann die in der Küche unerwünschte Pyrolyse (Verkohlung).

Um ein Erstarren des Karamells zu verhindern, wird dieser – wenn der gewünschte Bräunungsgrad erreicht ist – mit kochendem Wasser abgelöscht und sirupartig eingekocht.

 

Besonders für das Braten und Frittieren ist es wichtig, diese Prozesse zu kennen. Wer kennt ihn nicht, den alten Spruch: „Steaks erst beidseitig scharf anbraten, damit sich die Poren schließen!“ Heute weiß man, dass das Unsinn ist. Erstens hat das Fleisch keine Poren (Poren findet man nur in der Haut), und zweitens würde das Anbraten bei über 180 °C dazu führen, dass die Pyrolyse einsetzt und das Fleisch bitter wird (das ist übrigens auch bei Frittiertem der Fall – abgesehen davon, dass sich bei zu hohen Frittier-Temperaturen auch noch andere Schadstoffe bilden, die im Verdacht stehen u. a. krebserregend zu sein).

 

Würde man das Fleisch allerdings bei zu geringer Temperatur in die Pfanne geben, so würde es aufgrund austretenden Wassers nicht braten, sondern dünsten und man hätte gar keine Röstaromen (weil Wasser der größte Feind dieser Röstaromen ist). Die perfekte Temperatur für das Braten von Fleisch in der Pfanne beträgt daher zwischen 140 und 160 °C, bei dieser Temperatur können sich sowohl die Röstaromen bilden als auch die Karamellisierung einsetzen. Das Fleisch bräunt schön und entwickelt seine schmackhafte Kruste, gleichzeitig bleibt es innen saftig. Wer Steaks bevorzugt, die innen „blutig“ sind, der möge sich dickere Stücke schneiden, „dickere“ Steaks sind einfach besser (und das ist in diesem Fall küchentechnisch gesehen vollkommen korrekt).

Beim Grillen kann man übrigens mit höheren Temperaturen arbeiten – weil die Hitze nicht direkt auf das Fleisch wirkt, wie das in einer Pfanne der Fall ist (dazu mehr in einer der folgenden Ausgaben).

 

Ein Küchenklassiker ist die Crema catalana, die berühmte gebrannte Creme aus Nordostspanien. Auch hier finden wir die verlockende Kombination von Zucker und Fett – allerdings in einer besonders verführerischen Version, weil das Fett vornehmlich aus dem Eidotter stammt. Man kann diesen Faktor verstärken, wenn man einen Teil der Milch durch Obers ersetzt, dann wird die Creme noch gehaltvoller und durch die Erhöhung des Milchfettanteils auch noch schmackhafter.

Durch das Brennen der Creme wird einerseits die Zuckerauflage karamellisiert, andererseits bilden sich auch zarte Röstaromen, die durch die Maillard- Reaktion der Proteine unter der brennend heißen Zuckerauflage entstehen. Kein Wunder also, dass dieses Dessert zu den beliebtesten Nachspeisen der Welt gehört …

 

Crema catalana

Gerd Wolfgang Sievers

Kochen & Küche Jänner 2017

 

 

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